Der große Auftritt des kleinen Orakels

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Der Marktplatz von Morganella lag noch im morgendlichen Dämmerschlaf. Zwar waren bereits zwei Bauern dabei ihren Stand aufzubauen, beachteten aber Rigga und Garo nicht weiter.

»Glaubst du wirklich, dass es eine gute Idee ist?« Garo sah sie zweifelnd an.

»Das ist mein Weg, um zu einem berühmten Orakel zu werden. Die Leute müssen sehen, dass ich eh … unfehlbar bin.«

Garo seufzte tief.

Das Denkmal der Piratin Morgan warf seinen Schatten auf den Martplatz, der sonst leider nur aus festgetretener Erde bestand. Auch das Denkmal war nicht so imposant, wie man meinen könnte. Es sah aus, als hätte dem Bildhauer ein Oger mit Piratenhut als Modell gedient.

Sie kannte die Geschichten von Morgan, die auf der Unsterblichkeit - was für ein blöder Name für ein Schiff - mitsegelte, um Schätze zu finden und dabei von der Meerhexe verflucht wurde. Es heißt, sie segle noch immer mit dem Schiff über das verfluchte Meer, auf der Suche nach Heilung von dem bösen Fluch.

Wenn es nach Rigga ging, war Morgan selber schuld gewesen. Aber hier in Morganella sah man das anders und sie würde versuchen dieses Thema nicht anzuschneiden.

»Dort vorne«, sagte sie. Die Stelle neben einer Wuschelbuche schien ihr ideal, die weichen, geringelten Blätter des Baums erinnerten an Haare, und sie ging schnell darauf zu, während Garo den Karren hinter sich herzog. Sie waren sehr früh aufgestanden, haben sich aus der Burg geschlichen, um rechtzeitig hier zu sein, bevor alle Plätze belegt sind.

Dann dauerte es etwas, bis Garo das Podest aufgestellt hatte. Er hatte es extra für sie angefertigt und es sah nett aus. Natürlich könnte es etwas mehr hermachen, aber für ihren ersten Auftritt sollte es genügen. Immerhin hatte er aus Holzbuchstaben ORAKEL an einem Pfeiler befestigt. So sah man es schon von weitem.

Während Garo noch mit dem Aufbau beschäftigt war, schlenderte sie herum. Die kostbaren magischen Haare, die sie einem anderen Orakel ausgerissen hatte, waren sicher in ihrem kleinen Beutel verstaut, der an ihrer Hüfte hing.

Ein Stand mit Gewürzen wurde aufgebaut, und da diese sehr begehrt waren, stand auch ein kräftiger Bursche daneben Wache. Dennoch trat sie an den Stand, wo nur wenige Säckchen auslagen.

»Sie sind aber früh!« Eine junge Frau mit schwarzblauen Haaren lächelte sie an. »Wollen Sie ein bestimmtes Gewürz? Wir haben eine ausgezeichnete Auswahl.« Sie deutete auf die fast leere Auslage. »Zumindest bald …«

Rigga überlegte. Sie würde Fritza, Fritzarike Knochenbau, der schrecklich dünnen Köchin, sicher eine Freude machen. »Schleimblätter vom Berserkerstrauch?« Sie wusste, dass dies die Lieblingszutat des Festeintopfs war. Fritza war deswegen beim Orakel gewesen, um zu erfahren, ob sie noch rechtzeitig welche bekommt. Seltsam, dass sie sich das gemerkt hatte, dachte Rigga.

Die Frau sah sie verwundert an. »Die sind sehr schwer zu bekommen. Nur wenige, gut gerüstete Männer trauen sich an einen solchen Busch heran. Viele haben bleibende Wunden davongetragen. Daher werden sie fast mit Gold aufgewogen.«

»Toll«, sagte gelangweilt Rigga und sah sich nach Garo um. Hauptsache, er beeilte sich, denn langsam wurde es schon voller auf dem Markt. »Haben sie welche?« »Ja, da haben Sie Glück. Sieben Große-Helden-Münzen pro Blatt.«

Das war weit mehr, als Rigga erwartet hatte. Sie konnte sich nur ein einziges leisten. Doch als sie nach ihrem Beutel griff, war dieser verschwunden. Rigga erstarrte. Sie tastete an ihrer Hüfte herum, als wäre er unsichtbar geworden. »Mein Beutel …«

»Sie haben kein Geld?« Jetzt veränderte sich die Miene der Frau. »Dann hauen Sie ab, bevor ich Bruwart befehle, ihnen Beine zu machen.« Sie deutete auf den Wächter, der Rigga böse anstarrte.

»Jemand … es ist gestohlen worden.« Sie konnte es nicht glauben. Jemand bestahl ein Orakel? Sie würde sicher wieder die Lachnummer sein, ein Orakel, das nicht voraussieht, dass es bestohlen wird. Mist, verdammter!

»Schau mal da drüben. Das Orakel?« Die Frau lachte erfreut. »Da muss ich hin.« Sie zeigte mit dem Finger auf Bruwart. »Du passt auf und lass dieses Mädchen nicht an die Gewürze!« Sie drückte sich vorbei und Rigga sah, dass viele dahin liefen, um das Orakel zu sehen. Was sollte sie nur machen?

»Geh doch auch dahin«, brummte Bruwart. »Ich würde es auch gerne mal sehen. Ein Orakel ist ein ganz besonderer Mensch. Du wirst staunen.«

Sicher würde er stauen, wenn er wüsste, dass er gerade mit dem Orakel redet.

Sie ließ ihn stehen und sah sich um. Irgendjemand wird wohl bald ein paar magische Haare berühren. Sie wusste, dass dies durchaus unangenehm sein kann. Die Königin von Nebelheim hatte ihrem Orakel immer durch Fell gestrichen, weil sie das Gefühl mochte, aber sie war daran gewöhnt.

Dann hörte sie einen überraschten Schrei, sie drängelte sich an den Leuten vorbei, und dann ging es zwischen zwei Ständen in eine kleine Gasse. Dort standen zwei Jungs und schienen verblüfft. Einer hielt ihren Beutel in der Hand. Die beiden waren nicht älter als zehn und einer von beiden hatte strubbelige karottenrote Haare. Sie hatte ihn beim Gewürzstand gesehen. Der andere war etwas kleiner, schwarzhaarig und seine Augen weiteten sich, als er Rigga auf sie zulaufen sah.

»Was willst du?« Der Karottenjunge hob die Arme.

»Mein Geld und meinen Beutel!« Sagte Rigga barsch. »Sonst rufe ich die Stadtwache.«

»Die Stadtwache?« Der schwarzhaarige Junge lachte. »Die kümmern sich nicht um uns. Wir beklauen ja keine reichen Kaufleute.«

»Ich bin Rigga Kalkwinter, Tochter des Beraters von König Arthur und außerdem Orakel in Ausbildung!«

Der Karottenjunge sah sie fragend an. »Du?«

»Ich!«

»Gib ihr den Beutel, Kiy« Der schwarzhaarige Junge stupste seinen Freund an. »Wir wollen es uns doch nicht mit einem Orakel verscherzen.« Kiy nickte und warf Rigga den Beutel zu. Während sie versuchte, diesen aufzufangen, rannten die beiden los. Seufzend sah sie in den Beutel. Er war leer. Nur ein oder zwei Haare klebten noch an den Seiten. Viel zu wenig.

Mit hängendem Kopf ging sie über den Markt und überlegte. Sie konnte Garo nicht hängen lassen. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, obwohl er der Meinung war, dass es eine Schnapsidee sei.

Dann erinnerte sie sich an den Rat, den sie vom Orakeln von Antia bekommen hatte - wenn man nicht weiter wusste, musste man nur allgemeine Andeutungen machen, diese aber mit Selbstbewusstsein vertreten.

Als sie an ihrem Stand ankam, winkte Garo ihr freudig. »Schau mal, wie viele Menschen dich sehen wollen. Wenn du bereit bist, kündige ich dich an.«

Sie hoffte, er würde nicht merken, wie es in ihr aussah und bemühte sich um ein Lächeln.

»Stimmt was nicht?«

»Wieso?«

»Du lächelst sonst nie so.«

»Soll ich dir lieber vors Schienbein treten?«

»Das wäre wenigstens normal, dann würde ich mir keine Sorgen machen. Außer um mein Bein.«

Sie streckte den Rücken. »Dann sage mich mal an.«

Garo grinste. Er trat auf die Bühne und sah in seiner weiten Hose, dem einst weißen Hemd, das nur halb in die Hose gesteckt war und besonders wegen seinem Lausbuben-Grinsen toll aus.

»Es ist so weit«, sagte er laut und breitete die Arme aus. »Das Orakel in Ausbildung wird für euch«, er zeigte auf verschiedene Leute, »heute den nächsten Helden prophezeien.« Er wedelte mit den Armen und einen Moment befürchtete sie, er würde eine seiner gefürchteten Tanzeinlagen zeigen. Dann wies er mit beiden Armen auf sie. »Hier ist die unvergleichliche, die wunderbare, die unübertroffene …« Er reichte ihr eine Hand und zog sie spielerisch auf das Podest. »Rigga Kalkwinter!«

Rigga kam sich komisch vor. Sie war es überhaupt nicht gewohnt, so im Mittelpunkt zu stehen. Es wäre vielleicht leichter, wenn jemand geklatscht hätte oder ein paar Bravo-Rufe hätten ihr auch gefallen. Doch die Leute starrten sie nur an, als wäre sie ein Wundertier.

»Nun mach mal!«, hörte sie einen rufen.

»Kannst du mir auch weissagen, was mich heute Abend erwartet?« Ein dicker Mann mit ausgeprägten Wangenknochen lachte.

Rigga wurde unsicher. Das ist immer ein Fehler.

»Was dich heute Abend erwartet?«, sagte sie und fasste sich. »Deine schreckliche Alte!«

Sofort hörte man die Leute lachen.

»Ich brauche jetzt etwas Ruhe!«, rief Rigga. Sie steckte ihre Hand in den Beutel, in der Hoffnung, dass es helfen würde, doch nichts geschah. Sie stand auf dem Podest, mit geschlossenen Augen und wusste nicht, was sie tun sollte.

»Schläft sie?«, rief einer und alle lachten.

Dann kam eine polternde Stimme. »Macht Platz!« Eine Stimme, die sie kannte. Sie öffnete die Augen und schluckte. Da bahnte sich Meister Moronk seinen Weg durch die Menschen.

Er hatte seine Lederschürze um, sein oben schon kahler Kopf leuchtete in der Sonne, aber seine Augen funkelten belustigt.

Dann war er am Podest. Rigga hörte Garo leise aufstöhnen. Er wusste, dass er Mist gebaut hatte. Meister Moronk war bekannt dafür, dass er sehr streng war und sicher ein Dutzend Lehrlinge wieder entlassen hatte, bevor Garo in seine Dienste getreten war.

»Ich möchte unbedingt dem kleinen Orakel zusehen. Das lasse ich mir was kosten.

Er warf ihr eine schimmernde Goldmünze zu, die sie ungeschickt fing. Doch als sie diese betrachtete, spürte sie ein Ziehen - die Zukunft wollte geweissagt werden.

Sie lächelte und warf den Kopf in den Nacken. Garo betätigte den Hebel und Rauch stieg vom Podest auf, gab ihr mehr magischen Schein. Zwei Fackeln entzündeten sich wie von Zauberhand. Sie hörte die Menge beeindruckt schweigen.

  • Der neue Held wird golden schimmern, wie Meister Moronks Goldmünze.
  • Ein weiteres Mal kommt das endlose Pein-Event (Endless Trial)
  • Der Turm der Illusionen nimmt einem die Illusion
  • Eine neue exklusive furchterregende 5-Sterne-Waffe
  • Neue Artefakte für die Wale

Angebote, die keine sind.

evtl. (sie nuschelte es mehr):

  • Das Schach-Event - was nicht so viel mit Schach zu tun hat
  • Waffenerweckungen
  • Neuer 4*-Held/Heldin

    Beim Helden glaubte sie eine vertraute Gestalt zu erkennen. Ist es Arthur selbst?

Dann atmete sie tief ein, verschluckte sich am Rauch und hustete, wie eine Blutzeder, bis ihr die Tränen kamen. Sie spürte, dass Garo sie vom Podest führte und ihr ein Taschentuch in die Hand drückte. Als sie wieder sehen konnte, sah sie, wie die Gewürzhändlerin auf sie zukam.

»Sie sind das Orakel! Das wusste ich nicht.«

Sie reichte Rigga einen Bündel Schleimblätter, die immer noch ein wenig zappelten - ein Hinweis darauf, dass sie recht frisch waren.

»Nehmen sie das als Dank und Entschuldigung.«

Rigga nickte, konnte aber nur ein danke krächzen.

Dann kam Meister Moronk auf sie zu.

»Das war sehr beeindruckend!«, sagte er. »Die Münze brauche ich allerdings zurück. Es ist meine einzige magische Münze.« Er zwinkerte ihr zu, als wüsste er, was passiert war. »Ich denke, du solltest immer ein paar magische Dinge dabeihaben.«

»Woher?«

Er lächelte. »Das Orakel von Antia, Volvo, war auch mal jünger, genau wie ich. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen und ich habe einiges über die Gabe der Zukunft erfahren.« Dann sah er Garo an. »Du hast ein eindrucksvolles Podest gebaut und die verborgenen Mechaniken sind gut gelungen.«

»Danke?«, sagte Garo mit belegter Stimme.

»Du hast mich nicht um Erlaubnis gefragt und einfach Material verwendet, das dem König gehört.«

»Ich …«

»Für deine Freundin, ich weiß. Zudem ist es gut gegangen und ich werde dem König sagen, dass ich dem zugestimmt habe. Es dient dem Ruf des Orakels und damit auch dem des Königs.«

»Oh!«, sagten Rigga und Garo zugleich.

»Aber das macht ihr nie wieder!« Der Zeigefinger von Meister Moronk wackelte vor ihren Nasen. »Nie mehr, verstanden!«

»Verstanden.«

»Nie mehr ohne mich!«, verbesserte Meister Moronk lachend.