Der Schmied

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Mit einem weiteren dumpfen Schlag auf das gelb leuchtende Metall wurde es in die endgültige Form gebracht. Funken flogen auf und dann nahm der Schmied die immer noch glühende Schwertklinge, um sie in den Wassertrog zu tauchen.

»Spannend, oder?« Garo klang richtig begeistert.

Rigga Kalkwinter, Orakel in Ausbildung, hingegen fand es ziemlich langweilig. Da konnte der dicke Schmied noch so oft auf das heiße Metall hämmern. Es fehlte jeglicher Spannungsbogen. Sie wusste ja schon, dass es ein Schwert werden würde. Garos erstes Schwert.

Sie verkniff sich also eine bissige Antwort. »Ganz Toll!«

Garo Winkmal war ihr bester - und wohl auch einziger - Freund in der Burg. Er hatte sich in Nebelheim für sie eingesetzt. Er und ihr Vater hatten es irgendwie hinbekommen, dass die Königin Rigga verzieh. Doch sie solle besser nicht mehr herkommen. Ihr Orakel - Eclairs, ein seltsames Wesen, das wie ein großes Eichhörnchen ohne Schwanz aussah - hatte nun eine bleibende kahle Stelle. Im Eifer der Prophezeiung hatte Rigga versehentlich die Haare ausgerissen.

»Ich werde dich dann immer verteidigen können«, sagte Garo mit einem stolzen Lächeln.

Er war allerdings kein Knappe oder gar Ritter. Er war Schreinerlehrling und konnte mit einem Schwert höchstens Kerben in Holz hauen. Das wich allerdings auch weder aus, noch schlug es zurück. Doch wenn er sich darüber freute, sollte sie sich auch freuen.

Der Schmied, Nikolas Eisenhuf, sah fragend zu ihnen. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß und leuchtete fast pulsierend rot.

»Ich kann das auch ohne Kommentare!«

Garo wedelte beschwichtigend mit den Händen. »Wir freuen uns nur. Ihr macht das prima, Meister Eisenhuf.«

Doch aus irgendeinem Grund schien der miesepetrige Schmied heute noch schlechter drauf zu sein als sonst. Er hatte das Schwert - oder das, was ein Schwert werden sollte - im Wassertrog gelassen und kam herüber.

»Wieso könnt ihr mich nicht in Ruhe arbeiten lassen?« Er zeigte mit einem seiner Finger auf sie. Der Finger war, wie die Hand, vom Ruß pechschwarz. »Ich weiß schon, was ich tue.«

»Was sind Sie denn für ein Sensibelchen?«, fragte Rigga. »Wir wollen nur sichergehen, dass es ein gerades Schwert wird.«

Natürlich hätte sie sich das auch verkneifen können und spürte Garos fragenden oder vorwurfsvollen Blick auf sich.

»Das war ein Versehen gewesen«, stieß der Schmied hervor. »Außerdem ist es lange her.«

»Dem König zwei Dutzend krumme Schwerter zu liefern, hat euren Ruf nicht verbessert.« Sie setzte ein honigsüßes Lächeln auf. »Deshalb versteht ihr doch sicher, dass wir zusehen.«

»Es ist nur ein normales, popeliges Schwert!«

Rigga sah, wie Garo zusammenzuckte. Noch bevor er es einmal in den Händen hielt, war es schon heruntergemacht worden.

»Dann macht doch ein schönes Schwert daraus.«

»Das kostet aber einiges mehr.« Sein Blick wanderte zu Garo.

»Ich habe nicht mehr. Außerdem ist doch jedes Schwert von euch ein Meisterwerk. Sogar die … popeligen …« An den letzten Worten hätte er sich beinahe verschluckt.

Irgendwie tat er ihr leid, aber sie hatte selber nichts, was sie hätte beisteuern können. Sie klopfte ihm sanft auf die Schulter.

»Es gäbe da was«, sagte der Schmied langgezogen. Er sah Rigga merkwürdig an.

»Ich werde ganz sicher nicht bei euch putzen oder so was!«

Der Schmied schüttelte seinen großen, roten Kopf. »Du bist doch das kleine Orakel, oder?«

»Ja, und irgendwann werde ich das Orakel von Antia sein und meine Weissagungen …«

»Schon gut, du willst Karriere machen. Verstehe ich.« Sie sah ihn an und glaubte irgendwie nicht daran, dass dieser Schmied je Karriere machen wollte.

»Aha?«

»Wenn du mir sagst, welcher Held als nächstes zu uns kommt, würde ich deinem Freund ein schickes Schwert machen. Eines, das eines Kaufmanns würdig ist.«

Rigga überlegte. Es gab eigentlich kein Verbot für Weissagungen in einer Schmiede.

Sie nickte. »Für ein Schwert, das eines Königs würdig ist.«

Der Schmied kniff die Augen zusammen. »Einigen wir uns auf das Schwert eines Edelmannes?«

Garo stand mit offenem Mund daneben. Zwar ging es um sein Schwert, aber er wurde nicht gefragt. Irgendwie ahnte er, dass er jetzt besser den Mund halten sollte.

»Gemacht!«, sagte Rigga. Dann sah sie Garo an, blinzelte ihm zu und ging zwei Schritte zurück. Für einen Auftritt braucht es Platz.

Sie griff in ihren kleinen Beutel, der an einem Band um ihre Hüfte hing. Dort spürte sie Eclairs ausgerissene Haare, die ihr schon in Nebelheim beim Orakeln geholfen hatten. Sie warf die Arme in die Luft, den Kopf nach hinten - jetzt hatte sie einen guten Blick auf die Spinnweben unter der Decke - und tat so, als würde sie geschüttelt. Dann brach die Welt in Scherben, und in diesen Scherben erhaschte sie den Blick auf einen roten Vogel, der aus Feuer zu bestehen schien. Einen Phönix? Sie legte mit ihrer Weissagung los:

  • Es kommt eine neue Heldin oder ein neuer Held für das rote Team, und er könnte etwas mit einem Feuervogel oder Phönix zu tun haben.
  • Ein Event, dass man schon von den Würfeln her kennt
  • Ein Speedrun-Event
  • Angebote, die keine sind

    eventuell:
    Warum ist alles so undeutlich?
  • Waffenerweckungen
  • Artefakte, die keiner will

    Noch undeutlicher:
  • Eine neue Kampagne
  • Einen neuen Kampfpass

Dann setzten sich die Scherben wieder zusammen und sie sah in das hochrote Gesicht des Schmieds, der sie mit offenem Mund anstarrte.

Kein schöner Anblick übrigens. Auch Garos Mund war offen, bei ihm sah das aber ganz gut aus.

»Danke«, sagte Meister Eisenhuf. Er wirkte ergriffen. Dann nickte er und ein fröhliches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Ich werde Ketten mit einem Phönix-Anhänger anbieten. Das wird ein tolles Geschäft.«

Rigga sah sich die Anhänger an, die er zu Ehren vom Helden Harroth gemacht hatte. Sie waren so seltsam geformt, das Rigga vermutete, er hätte einfach einen Nagel plattgehauen. Hoffentlich würde das der vierte Weise, Harroth, nie zu Gesicht bekommen. Dieser war für seine Wutanfälle berühmt. Dann schlägt er auf alles mit seinem Hammer ein.

Garo kam auf sie zu und umarmte sie. »Danke«, flüsterte er leise.