Gefrostete Grumpelkröte

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Rigga schnaufte, mit einer Hand wischte sie sich Schweiß von der Stirn. Die andere Hand hielt ein schmales Schwert umklammert, das ihnen einer der Händler als Frostschwert verkauft hatte. Angeblich würde die Seele der Heldin Yuki darin wohnen. 
Die könnte jetzt ruhig mal herauskommen, dachte Rigga und wehrte einen weiteren Angriff ab. Die Schwerter trafen aufeinander und wieder ging ein schmerzhafter Stich durch ihr Handgelenk.

»Ich kann das einfach nicht«, sagte sie verzweifelt.

»Ich brauche jemanden an meiner Seite, der zumindest etwas mit dem Schwert umgehen kann«, sagte Kazia. Sie waren zusammen hier angekommen und es verband sie mittlerweile eine seltsame Freundschaft. 

»Ich habe dir das Leben gerettet, ohne mit so einem Ding herumzufuchteln.«

»Das nächste Mal könnte es aber notwendig sein. Du bist schließlich keine verdammte Heldin.«

Rigga seufzte. Kazia Po-Kal war eine Rekrutin in der Armee von König Artur. Sie war eine Halb-Antide und sah verteufelt gut aus. Ihre Bewegungen wirkten fließend und anmutig. Kazias Gesicht war ebenmäßig, fast wie von einem Bildhauer erschaffen. (Wobei man Don Otello, den königlichen Bildhauer Arturs, nicht erwähnen sollte. Seine verunstalteten Steinskulpturen ließen selbst alte Hexen hübsch wirken.)

»Ach komm schon, es ist doch nicht so schwer.«

»Ich könnte dich mit Magie umschubsen.« 

»Im Wald sind Monster, die du nicht alle mit deinem magischen Schild fernhalten kannst. Du wirst das da«, sie zeigte auf Riggas Waffe, »in sie reinstecken müssen.«
Kazia verengte die Augen und sah zum Himmel. Tatsächlich zog etwas dort seine Bahn, stieß dabei jede Menge Qualm aus und schien sich nicht für einen geradlinigen Flug zu entscheiden.

»Oh, der Drakkenexpresss«, sagte Rigga. 

Sie hatte mit Kokl und ihrem Drakken Shipara schon einmal Bekanntschaft gemacht. Zusammen mit Kazia beobachtete sie, wie der Drakke landete - es sah mehr danach aus, als würde er hart aufschlagen. Staub wirbelte auf, vermischte sich mit dem Qualm und aus diesem Gewaber schritt eine kleine Frau in einer blauen Uniform heraus. 

»Das ist aber eine Überraschung«, rief Kokl. Sie war schwarzhaarig und recht klein gewachsen, aber eindeutig keine Zwergin. Ihre Uniform sah makellos aus. »Was macht denn das kleine Orakel hier?«

»Ich jage Monster«, sagte Rigga mit etwas Stolz in der Stimme. 

Kokl hatte ein zusammengeschnürtes Bündel dabei, das anscheinend etliche Briefe enthielt. »Ich bringe das zu Iso Latoto, der verteilt die Briefe dann an die Leute.« 

»Wir können Briefe bekommen?« Rigga war erstaunt.

»Ihr könnt auch welche schreiben. Der Drakkenxpress liefert sie sicher aus.« Kokl machte außerdem immer wieder Werbung für ihren Service. »Egal ob in die kalten Berge von Isabrot, die trockenen Wüsten von Semu oder selbst in das Lager der Monsterjäger.«

Kazia lachte leise. »Du bist ja viel unterwegs.« Sie deutete auf Shipara, die noch immer Rauch ausstieß. »Das alles auf diesem qualmenden Ungetüm?«

»Ungetüm?« Plötzlich blitzen Kokls Augen. »Shipara ist der beste Drakken, den es gibt.« Sie schüttelte den Kopf und ging an ihnen vorbei zum Lager. 

Das Lager hatten die Monsterjäger in den Ruinen des Dorfes Zenik aufgeschlagen.

Dies war einst von den Monstern überrannt worden und es hatte damals viele Opfer gegeben. 

»Woher kennst du sie?« Kazia ging neben Rigga hinter Kokl her. 

»Sie hat mich einmal zum Trollzipfel geflogen.«

»Geflogen?«

Rigga erinnerte sich nicht gerne daran. Allerdings hatten Kokl und ihr Drakken ihr damals auch das Leben gerettet. 

»Ja. Es war sehr dringend und Kokl ist wirklich nett.« 

»Nett?«

»Wenn man nicht gerade ihren Drakken ein Ungetüm nennt.«

»Das merke ich mir. Aber trotzdem ist es ein Ungetüm. Ich würde mich niemals einem Drakken nähern.«

Bisher hatte Kazia immer furchtlos gewirkt, doch es gab wohl  etwas, das sogar ihr Angst machte. Drakken und Riggas Herumgefuchtel mit dem Schwert. Also schon zwei Sachen. 



Vor dem großen gelben Zelt von Iso Latoto standen viele Monsterjäger und sahen Kokl freudig entgegen. All diese harten und oft ernsten Kämpfer wirkten fast aufgeregt. 

Selbst die immer sauertöpfischen Zwerge hatten ein Lächlen auf dem Gesicht. Rigga konnte sich nicht erinnern, wann sie jemals einen von ihnen so gesehen hatte. Es wurde Platz gemacht, damit Kokl, diese kleine Frau, zum Zelt kam. Als wäre sie etwas ganz Besonderes. 

Sie verschwand im Zelt und Rigga und Kazia stellten sich zu den anderen. Dann trat Iso Latoto heraus. Sein Bart war sorgfältig geflochten, nur die leuchtend gelbe Jacke spannte ein wenig. Iso Latoto war ein Zwerg und führte das erfolgreichste Team von Monsterjägern. Zumindest in seiner Vorstellung. 

»Ihr kennt es ja schon«, sagte er mit einem Grinsen zur Menge. »Jeder tritt einzeln ein und dann sehe ich nach, ob ein Brief für ihn dabei ist.« Er nickte kurz und wollte sich gerade umdrehen, als sein Blick auf Rigga fiel. Mit einer Handbewegung winkte er sie zu sich heran und schob sie dann in sein Zelt.

»Habe ich einen Brief bekommen?« Rigga war etwas erstaunt. 

»Ich sehe nach«, sagte Sandro Kahn, der Magier in Iso Latotos Gruppe. 

»Es geht nicht darum«, sagte Iso wirsch. »Aber du hast behauptet, dass du lesen kannst.«

»Ja?«

»Sicher?«

Rigga zog die Augenbrauen hoch. »Wieso sollte ich mir da nicht sicher sein. Ich kann sowohl die Texte der Semu, die Runen der Leute aus Isabrot und die vielen Bücher in der Bibliothek des Königs lesen.«

»Ah«, sagte Iso nur. »Dann kannst du ein paar Token verdienen.«

»Soll ich dir etwas vorlesen?«

Iso schüttelte unwillig den Kopf. »Da draußen stehen tapfere Kerle, denen ich mein Leben anvertrauen würde. Doch keiner davon kann lesen.«

»Hey!«, rief Sandro. »Bisher war das meine Aufgabe.«

»Rigga kann dir aber zur Hand gehen oder zum Brief gehen oder was auch immer. Jedenfalls reicht es den meisten nicht, dass sie einen Brief bekommen, sie wollen auch wissen, was drin steht. Sandro kann es dir erklären.«

Sandro hatte einen Brief in der Hand und gab ihn Rigga. »Du hast Post«, sagte er mit seltsam verstellter Stimme. 

Rigga dachte sofort an ihren Vater. Er würde sie hier nicht vergessen. Irgendwie fühlte es sich gut an, dass er an sie dachte. Doch leider war der Brief nicht von ihm. Rigga erkannte die krakelige Schrift. Es war ein Brief von Bizi. 


Bizi war die Küchenhilfe in der Burg und Riggas Freundin. Rigga hatte ihr das Lesen und Schreiben beigebracht. 

»Wenn jemand seinen Brief vorgelesen haben will, kostet ihn das fünf kleine Heldentoken«, sagte Sandro Kahn. »Möchte er, dass du einen Brief für ihn schreibst, verlangen wir einen Großen Heldentoken.«

»Damit sie wissen, was in ihren Briefen steht?«

»Du solltest bei den Zwergen vorsichtig sein. Ihre Briefe sind manchmal etwas… unanständig.«

»Genug getratscht«, sagte Kokl und schüttelte Iso Latotos Hand. Dann kam sie zu Rigga. »Es war schön, dich wiederzutreffen. Aber deine Freundin sollte nicht gemein zu Shipara sein.«

»Ich habe es ihr schon gesagt. Ich denke noch oft an unsere Reise nach Isabrot.«

»Ja, du warst der erste Passagier. Ich bin froh, dass du nicht runtergefallen bist. Wie hätte ich das dem König erklären sollen.«

Sie wartete nicht bis Rigga eine Antwort eingefallen war und schlüpfte aus dem Zelt. 


Rigga war schon weit in Antia herumgekommen und hatte vieles erlebt. Doch nichts davon konnte sich mit dem messen, was sie im Wald der Monster gesehen hatte. Tag für Tag, seit sie im Lager der Monsterjäger angekommen war, hörte sie von Monstern, die in keinem der schlauen Bücher vorkamen. Es war fast, als sei dies hier eine eigene Welt mit eigenen Regeln und eben auch mit eigenen Monstern. 

Der Wald war ihr noch immer unheimlich und dass sie nicht alleine hier war, machte es nur ein kleines Bisschen besser. 

Sie ging neben Kazia her, hielt ihr Schwert in der Hand - was sich immer noch irgendwie seltsam anfühlte - und spähte angespannt umher. Überall konnte sich ein Monster verbergen, das eine Gefahr darstellen würde. 

Etwas weiter vor ihnen waren Iso Latoto und Sandro Kahn unterwegs. Den Abschluss dieser Jagd machte der oft miesepetrige Mirmok. 

Es war klar, dass sie Rigga und Kazia für die schwächsten Mitglieder hielten und diese deswegen den Platz in der Mitte bekamen. Rigga war dies egal, doch Kazia wollte als Kämpferin wahrgenommen werden. 

»Ich hoffe Iso weiß, was er tut«, murmelte Kazia. »Wir sind seit einer Stunde unterwegs und irgendwie scheinen die meisten Monster einen Bogen um uns zu machen.«

»Magie«, sagte Rigga. »Sandro sendet irgendetwas aus, das unangenehm für diese Monster ist. Darum bleiben sie auf Abstand.«

»Kannst du das auch?«

»Nein, aber ich kann Gerüche produzieren, die wirklich jeden fernhalten.« Rigga grinste. »Das ist eine besondere Form der Magie.«

»Danke. Das ist nicht das, was ich meinte.«

Bald darauf kam ein ungewöhnlicher Nebel auf, der sich zwischen den Bäumen fing. Iso winkte sie näher heran, damit sie einander im Auge behalten konnten. 

»Ist das normal?« Rigga sah sich um, doch ihre Sicht war auf wenige Meter eingeschränkt. »Wir sind doch nun eine leichte Beute.«

»Besonders, wenn du weiter plapperst«, zischte Mirmok hinter ihr. 

Der Augenblick, als sich der Nebel lichtete und sie das gigantische Monster zu Gesicht bekam, würde sie nie mehr vergessen. In diesem Moment wurde ihr klar, dass Iso maßlos untertrieben hatte, als er die Jagd als anspruchsvoll bezeichnet hatte. 

Staunend blickte sie auf ein Monster, das entfernt einer Schildkröte ähnelte. Es hatte einen Panzer, auf dem Bäume und Sträucher wuchsen. Aus dem Panzer schauten vier krallenbewehrte, pelzige Beine und der Kopf glich einer orangen Kugel mit einer Vielzahl von Augen und einem Maul voll scharfer Zähne. 

»Was, bei allen Weisen von Antia, ist das für ein Vieh?«, entfuhr es Kazia.

»Eine Grumpelkröte.« Mirmok schob sich an ihnen vorbei. Seine Waffe - ein Holzstab, an dem viele Wurfsterne an einer Kette hingen, hielt er vor sich.

»Was sollen wir tun?« Rigga spürte, dass ihre Beine schon wussten, was sie am besten tun sollten - schnell in eine andere Richtung rennen. 

»Wir müssen das Vieh ablenken und schwächen.« Mit einem wilden Schrei lief Mirmok darauf zu und der Kopf des Monsters ruckte herum. Es fletschte seine Zähne und drehte sich in Mirmoks Richtung. 

Iso und Sandro umkreisten das Monster auf der rechten Seite. Kazia tippt Rigga an und lief nach links. Zum Glück war hier genügend Platz. 

Rigga sah, wie die Grumpelkröte nach Mirmok schnappte. Seine Klingen erwischten nur Teile des Panzers. Er rollte sich weg, als das Monster nach ihm schnappte, verlor seine Waffe und rannte weg. 

Iso stürmte vor und ein von Sandro erzeugter Feuerball begleitete ihn. Schwerfällig drehte sich das riesige Vieh um. Iso ließ seine beiden Äxte - er nannte sie Schinkenhacker - wirbeln. 

Doch plötzlich machte die Grumpelkröte einen Satz auf ihn zu und er wich erschrocken zurück. Rigga hörte den Zwerg deftig fluchen.  

»Jetzt wir«, sagte Kazia und stürmte los. Rigga hielt es für keine gute Idee, dennoch folgte sie ihrer Freundin, die mit wildem Geschrei losstürmte. Anscheinend hatte das Monster dies erwartet, denn es trat mit einem seiner Beine aus und traf Kazia an der Brust, die ein Stück nach hinten flog und stöhnend liegen blieb. 

Rigga hielt an. Sie kam sich hilflos vor. Die Grumpelkröte wandte sich ihr zu. Die vielen Augen schienen sich zu einem Einzigen zu verengen und zum ersten Mal hörte sie das Tier einen Laut ausstoßen. Es hörte sich… grumpelig an. 

Was sollte sie nur machen? Sie konnte kaum so losstürmen, wie es Mirmok und Iso gemacht hatten. Mit einer Hand hielt sie ihr Schwert nach vorne und legte all ihre Magie hinein. Doch es entwickelte sich kein Feuerball oder etwas anderes, das auf die Grumpelkröte zuschoss. Aber etwas änderte sich. Es war kälter geworden. Scheeflocken umtobten sie und der Bereich der Kälte weitete sich schnell aus. Dies kam von dem Schwert, das jetzt strahlend blau leuchtete. 

Die Grumpelkröte schien die Kälte nicht zu mögen, denn sie erstarrte förmlich. Und jetzt sah Rigga, wie Iso über den Panzer lief, den Büschen auswich und den Kopf des Monsters von hinten angriff. 

Danach ging es schnell. Rigga wandte den Blick ab, denn nun schüttelte sich die Grumpelkröte im Todeskampf. Feuerbälle schossen auf sie zu, während Iso mit seinen Äxten verhinderte, dass sie ihren Kopf in den Panzer zurückziehen konnte. 

»Milchknilche«, rief Kazia plötzlich. Und tatsächlich stürmten aus dem Nebel, der diese Lichtung umgab von allen Seiten Milchknilche. Als wollten sie der Grumpelkröte zur Hilfe kommen. Es waren weiße, haarlose Wesen, mit scharfen Krallen und Zähnen. Man sagte ihnen nach, dass sie von Dämonen abstammten. Einen Moment später waren Mirmok, der jetzt zwei gebogene Dolche in seinen Händen hielt, sowie Kazia und Sandro in Kämpfe verwickelt. Sie hörte Kazia schnauben und erkannte, dass es nicht gut für ihre Jagdgruppe aussah. Sie musste etwas tun. Also richtete Rigga das Schwert in die Luft und der Schneesturm wurde stärker. Alles um sie herum schien nun zu erstarren. Sie sah, dass der Milchknilch, der Kazia gerade von hinten anspringen wollte, unbeweglich stehen geblieben war. Doch Kazia war ebenso in dem eisigen Zauber gefangen. 

»Gut gemacht«, hörte sie Sandro sagen. Er hatte sich selbst mit seiner Magie geschützt und machte nun mit den Milchknilchen kurzen Prozess. 

Dann gab er Rigga ein Zeichen. Sie ließ das Schwert sinken und spürte erst jetzt, wie sehr es sie angestrengt hatte. Ihre Sicht verschwamm, während ihre Finger nach dem magischen Stein tasteten, den sie in einer kleinen Tasche immer mit sich trug. Garo hatte ihn ihr geschenkt und als ihre Fingerspitzen ihn berührten, verschwand alles um sie herum. Lächelnd sah sie in die Zukunft.


  • Es kommt etwas in Lila. Ein Held oder eine Heldin mit viel Macht. 
  • Ein weiteres Mal kommt das endlose Pein-Event (Endless Trial)
  • Der Turm der Illusionen nimmt einem die Illusion
  • Eine neue exklusive furchterregende 5-Sterne-Waffe
  • Neue Artefakte für die Wale
  • Angebote, die keine sind.
    evtl.
  • Das Schach-Event - was nicht so viel mit Schach zu tun hat
  • Waffenerweckungen

»Du bist eine verdammte Heldin«, sagte Kazia. Sie saß neben Rigga am großen Feuer.

Die Monsterjäger feierten wieder mal. Zwei der Zwerge machten Musik mit seltsamen Instrumenten. Doch es hörte sich gut an. Sie sah, wie Mirmok mit einer etwas drallen Frau tanzte und nickte langsam.

»Dann sollte man besser nie erfahren, wie viel Schiss ich hatte.«

»Den hatten wir alle.« Sie sah zu Iso Latoto. »Bis auf unseren furchtlosen Anführer.«

»Soll es so weitergehen?«

»Was meinst du?«

»Wir gehen in den Wald und töten Monster. Das scheint mir sehr unbefriedigend. Die kommen doch immer wieder nach.«

»Man hat schon mehrfach versucht, den Wald zu stürmen. Du kennst die Geschichten und weißt wie es ausgegangen ist.«

Tatsächlich waren bisher alle Versuche gescheitert. Selbst König Unipy mit einer Hundertschaft an tapferen Soldaten, angeblich die Besten im Lande, war mit nur wenigen zurückgekehrt. Es hieß, dass der Wald immer gefährlicher würde, je tiefer man in ihn eindrang. Bis zum Zentrum hat es noch niemand geschafft.

 »Eine verdammte Heldin«, rief Kazia laut. Sie war aufgestanden und hielt ihren Becher hoch. »Ohne Rigga wären wir heute wohl nicht mehr zurückgekehrt!« 

Alle hoben ihre Becher und tranken auf Riggas Wohl. 

Ja, sie war eine verdammte Heldin.