Rosenhexe

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Rigga tat alles weh. Ihre Hüften, ihre Füße und sogar die Ellenbogen. Dazu schwitzte sie und ihr war schwindelig, als würde sie auf einem Schiff stehen, das im starken Wellengang hin und her geworfen wird.  Selbst ihre Stimme wollte nicht mehr. So gut hatte sie sich noch nie amüsiert.

Die Musik riss sie immer wieder mit. Alle tanzten und lachten und waren gut gelaunt. Niemand störte sich daran, dass sie das kleine Orakel war und sogar ihr Vater tanzte mit einer rundlichen Frau, deren rote Haare zu einem festen Zopf geflochten waren. Sie wirbelten herum und die Füße schienen ein Eigenleben zu besitzen.

Jemand nahm sie am Arm. 

»Setz dich einen Augenblick«, sagte Garo und drückte sie sanft in den Stuhl, den er herangezogen hatte. Aber auch sein Gesicht war verschwitzt und er grinste über beide Ohren. »Was für ein Fest!«

Rigga nickte. Dabei hatte ihr davor gegraut, dass sie auch Chattingdale besuchen sollte, eine Stadt - besser ein großes Dorf - in dem die naturverbundenen Druiden lebten. In ihrer Vorstellung waren das alles grauhaarige Männer ohne einen Funken Humor. Doch sie hatte sich geirrt. 

Nach allem, was sie über die Isadora gehört hatte, eine der fünf Weisen von Antia, hatte sie sich schon etwas gefürchtet. Doch Salena, die wohl so etwas wie die

Bürgermeisterin von Chattingdale darstellt, hatte sie herzlich empfangen. Zusammen waren sie zu diesem riesigen Baum gegangen, um den sich ein Holzsteg nach oben schlängelte. Oben angekommen, traten sie in einen Hohlraum, so groß wie ein Saal. Salena bat alle, eine Hand an das Holz zu legen und dem Baum für diesen Raum und die gewährte Sicherheit zu danken. 

Es kam ihr zwar etwas seltsam vor. Doch kurz darauf saßen viele auf den einfachen Holzstühlen. Krüge mit Pilzbier und verschiedene Säfte standen ebenso bereit, wie allerhand Speisen. Niemand wollte etwas von ihr wissen, was Rigga guttat. Sonst kam sie sich immer wie ein Wundertier vor. Doch hier, war sie nur eine von vielen. 

»Vielleicht solltest du jetzt gehen«, sagte Garo und sah sie fragend an. »Morgen reisen wir wieder zurück und dann willst du sicher ausgeruht sein.«

»Zurück?«, sagte Rigga und sah sich um. Die tanzenden Menschen, die Fröhlichkeit, all das würde sie vermissen. Sie seufzte. Ihr tat alles weh und so sehr sie es auch genoss, brauchte sie wohl etwas Ruhe.

»Lass uns gehen«, sagte Lohok Kalkwinter. Auch sein Gesicht war gerötet und verschwitzt. Ebenso hatte es dieses zufriedene Lächeln.

Rigga nickte und stand auf. 

»Ihr geht?«, rief ein junger Mann mit leuchtend roten Haaren, die er lang und offen trug. Über sein weißes Hemd hatte er wohl etwas vom roten Wein geschüttet. Er lachte. »Ich bin Declan, einer der Söhne des Baumes.«

»Freut mich, Declan«, sagte Lohok und klopfte ihm auf die Schulter. Wir sind solche Feste nicht gewohnt. Daher wird es für uns Zeit. Aber es hat uns gut gefallen. Bitte sage dem Baum unseren Dank.«

Declan grinste und nickte. »Das werde ich.« Dann sah er Rigga an. »Du solltest öfter feiern.« Dann drehte er sich um, fand eine junge Frau und tanzte einfach weiter. 

»Die Menschen sind so nett hier«, sagte Rigga, als sie auf den Holzsteg traten.

»Warum sind wir nicht schon vorher hier gewesen?«

»Freigeister«, sagte ihr Vater, während sie zusammen den Steg hinabgingen. »Das Problem hier sind die vielen Menschen, die sich nicht einem König oder anderen Herrschern unterwerfen wollen. Dazu kommt, dass es hier quasi vor Magie brummt - habe ich mir sagen lassen. So viele Magier oder Magiekundige findest du sonst nirgendwo in Antia. Niemand möchte sie gegen sich aufbringen, denn dann halten sie sofort zusammen.«

»Das ist doch gut, denke ich«, sagte Rigga und gähnte laut.


Lohok Kalkwinter ging neben seiner Tochter her, während die Musik vom Haus im Baum immer noch zu hören war. Er atmete durch und sah sich um. 

Vier Soldaten hatte er abstellen lassen, um Rigga zu bewachen, ohne dass sie etwas davon merken sollte. Sie hatte so schon genug Sorgen. Irgendwie musste er sie schützen, was König Arthur zum Glück genauso sah. 

Sie waren gut, denn Lohok sah keinen von ihnen. Er hoffte nur, dass sie ihre Aufgabe ernst genug nahmen und sich nicht irgendwo mit Pilzbier zuschütteten. Doch Odin Tafelspitz hatte die Leute ausgewählt. Lohok musste sich darauf verlassen. 

Er atmete tief ein und sah nach oben. »Siehst du die Sterne, Rigga?«

»Die da oben?«

»Ähm, genau die.«

»Die sehe ich, ist das schlimm?«

»Nein, alle sehen sie und rätseln darüber.«

»Rätseln? Ich weiß nur, dass jeder Stern für einen von Mac'haabs fiesen Gesellen steht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, wie die Weisen das zulassen konnten.«

Lohok ging langsam weiter. Er hörte ein leises Knurren aus einem der Gebüsche. »Das ist nur eine der vielen Geschichten«, sagte er leise. »In Rotstreifental sind sie davon überzeugt, dass die Sterne aus Kristallen bestehen, die man nur vom Himmel pflücken müsste. Wenn man denn dahin käme.«

»Kristalle? Die Zwerge sehen doch überall nur Kristalle.« Sie erinnerte sich daran, wie sie in den Tunneln auf einen ungewöhnlichen Kristall traf. 

»Man munkelt, dass Mechanikus Zahnrad daran arbeitet, ein Gefährt zu bauen, das zu denen Sternen fliegen kann.«

»Hoffentlich treffen sie dann nicht auf Mac'haab.«

Lohok fand einfach keinen guten Anfang für das Thema, das er ansprechen wollte, aber er musste es hinter sich bringen.

»Du bist groß geworden«, sagte er schließlich. »Gerade noch habe ich die Geschichten vom schlafenden Baum vorgelesen und zack - bist du das kleine Orakel.«

»Dass ich gewachsen bin, hat aber nichts damit zu tun, dass ich ein Orakel werden möchte.«

»Nein«, sagte er schnell und winkte ab. »Das kommt von ganz alleine. Es ist also was Natürliches.« Er blieb stehen und sah sie an. »Es gibt da etwas …«, sagte er und merkte, wie er herumdruckste. Dabei hatte er sich vorgenommen, nicht herumzudrucksen.  

»Nun, ich weiß nicht, ob dir beigebracht wurde, was passiert, wenn …«, sagte er schleppend. Dann schüttelte er den Kopf. »Also, wenn ein Mann und eine Frau zusammen im Bett liegen?« Er atmete auf.

Rigga sah ihn an und hob ihre linke Augenbraue. Eine sehr seltsame Angewohnheit.

»Ich hoffe, sie schlafen«, sagte sie mit einem fragenden Unterton. 

»Ähm, ja, das hoffe ich auch.« Es war zum Verzweifeln. Warum musste ausgerechnet das an ihm hängenbleiben? 

»Warte mal«, sagte Rigga grinsend und blieb vor ihm stehen. »Du willst jetzt DAS Gespräch mit mir führen?«

DAS Gespräch. Wie sich das anhörte, als sei es etwas ganz Schlimmes. Er nickte langsam.

»Ich dachte, es wäre an der Zeit«, kam es leise von ihm. »Es blieb mir nicht verborgen, dass dieser junge Rekrut - Garo - sich ein wenig in dich verguckt hat.« Er schluckte. 

Sie lächelte ihn an. »Und du willst sichergehen, dass ich Bescheid weiß mit den Kerlen?«

»So in etwa.«

Sie lachte und winkte ab. »Mach dir keine Gedanken, Fritza hat mir schon alles erklärt.«

Fritzarike Knochenbau, die fadendünne Köchin. Er sandte ein stummes Dankgebet zu ihr. 

»Wenn man ein Baby haben will«, fuhr Rigga fort, »dann müssen sich der Mann und die Frau sehr lieb haben. Sie knutschen ganz heftig und dann …«

Lohok Kalkwinter wollte es nicht so genau wissen, doch seine Tochter war schwer zu bremsen. 

»… dann legen sie Brotkrumen auf die Fensterbank und wenn sie Glück haben, bringt der Storch ihnen ein Baby.« Sie strahlte ihn an.

Wie konnte man ein Dankgebet zurücknehmen? Die Köchin hatte es sich einfach gemacht. 

Er sah seine Tochter an, die über das ganze Gesicht grinste. 

»Das ist nicht ganz das, was ich sagen wollte.«

Jetzt lachte sie schallend. »Du solltest dich mal sehen«, sagte sie. »Als wenn ich diesen Unsinn glauben würde.«

»Oh!« Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. 

»In der Bibliothek gibt es vier Bände über genau dieses Thema und sie waren interessanter als alles, was ich sonst lesen muss.«

»Ah!« Irgendwie schienen ihm alle Worte abhandengekommen zu sein. 

»Sex!«, sagte sie laut. »Sex zwischen Menschen, Elfen, Zwergen und was es da so für Möglichkeiten gibt. Es waren auch viele Zeichnungen darin. Glaub mir, ich weiß Bescheid.«

Sobald sie wieder in der Burg waren, würde er dafür sorgen, dass diese Bücher aus der Bibliothek verschwinden. Doch im Moment war er ein wenig dankbar dafür, dass es diese Bücher gab.

Seine Tochter ging leise kichernd weiter. Er sah sie an und dachte daran, wie viel sie doch von ihrer Mutter hatte. Die Schönheit, den klugen Kopf und sogar die Magie. Was konnte sie nur von ihm haben?

Sie sah zu ihm und lief in einen dicken jungen Mann hinein. Lohok lächelte, ihre Tollpatschigkeit hatte sie von ihm, dachte er mit etwas Vaterstolz.

»Hey«, rief der Mann, der einen dichten langen Bart trug, aus dem ein paar Laubkätzchen hervorschauten. Sie schienen nur aus vertrockneten Rosenblättern zu bestehen. 

Rigga hatte sich zu ihm umgedreht. »Sie haben da Katzen im Bart«, sagte sie verwundert. 

Der junge Mann grinste, doch bevor er etwas sagen konnte, kamen die bisher gut verborgenen Wächter hervor und hatten ihre Schwerter gezogen. »Halt!«, rief einer von ihnen. 

»Oh, das kleine Orakel wird gut bewacht«, sagte der Katzenbart. »Dabei wollte ich sie nur höflich einladen.«

»Geh weg von Rigga und ihrem Vater«, einer der Soldaten stellte sich vor Lohok und Rigga. Sein Schwert richtete sich auf den jungen Mann. 

»Sehr schade«, sagte dieser. Dann wedelte er mit einer Hand und etwas Leuchtendes schoss hervor, teilte sich und jeder der Soldaten wurde getroffen. Sofort verwandelten sie sich in Rosenbäumchen. Die Schwerter fielen klimpernd zu Boden. 

»Was soll das?«, sagte Lohok und schob Rigga hinter sich. »Du wagst es, die Abgesandten von König Arthur anzugreifen?«

Der junge Mann nickte grinsend. »Ich lade das kleine Orakel hiermit ein, meine Meisterin, Rosalia, zu besuchen.« Erneut wedelte er mit der Hand und Lohok fühlte, wie er getroffen wurde und dann raschelten seine Blätter angenehm im leichten Wind. 



Rigga starrte das Rosenbäumchen an, das jetzt in den Schuhen ihres Vaters steckte.

Es hatte schöne weiß-rote Blüten und trotz allem erinnerte die Form an ihren Vater. Nur, dass er nun ein Rosenbäumchen war.

Sie sah diesen bärtigen Kerl an, der lässig dastand und grinste, wie eine verdammte Schuhechse. Sie sog die Luft ein.

»Mach das sofort rückgängig!«, rief sie und ballte ihre Fäuste. Jetzt bedauerte sie, dass sie sich nur mit der Orakel-Magie auskannte. Zu gerne hätte sie dem Fiesling jetzt einen Feuerball in den Bart gejagt. 

Er kam ein paar Schritte auf sie zu und sie wich zurück. Sie hatte nichts, womit sie sich verteidigen konnte. Ihre Hand griff in den kleinen Beutel und spürte den magischen Stein, den Garo ihr geschenkt hatte. Bisher hatte sie ihn nur genutzt, um in die Zukunft zu sehen. Sie holte ihn heraus, ignorierte das magische Kribbeln und schleuderte den Stein. Sie traf den Typen genau auf die Stirn. 

»Auh! Verdammt!« Er knurrte und schüttelte den Kopf. Dann griff er sich das Rosenbäumchen, das mal ihr Vater war, und machte eine Bewegung mit der anderen Hand hinter sich. Dort erschien ein dunkler Riss, als hätte er die Dimension aufgeschnitten. 

»Komme morgen zu Rosalia. Ich erwarte dich am Nadelpfad!« Dann sprang er durch diesen Riss und war verschwunden. 

Der Riss schloss sich mit einem schmatzenden Geräusch. 


»Ich wiederhole es nur ungern«, sagte Declan, während er vor Rigga und Garo herging.
»Es ist keine gute Idee, sich mit Rosalia zu treffen.«

»Ich will meinen Vater wieder«, sagte Rigga etwas zu knurrig. Declan konnte nichts dafür, doch sie würde dieser Rosenhexe jeden Dorn herausreißen. 

»Du weißt, dass sie in dem langen Krieg aufseiten von Mac'haab stand? Sie wird gefürchtet und der Weg über den Nadelpfad haben schon einige gewagt und dabei schwere Verletzungen davongetragen.«

»Warum duldet ihr diese Hexe hier?« Garo hatte ihr Beistand geleistet, auch wenn es zu spät gewesen war. Er würde jetzt nicht von ihrer Seite weichen. 

»Sie ist mächtig«, sagte Declan und stieg über einen großen Stein. »Zudem lässt sie uns in Ruhe.«

»Und dieser Kerl mit den Katzen im Bart?«

»Odran?« Declan zuckte mit den Schultern. »Er war auch ein Sohn des Baumes, doch dann verschwand er einfach. Jetzt wissen wir, dass er Rosalia hilft.«

»Er hat meinen Vater in ein Rosenbäumchen verwandelt!«

»Stimmt. Das hätte er nicht tun dürfen. Trotzdem solltet ihr Rosalia nicht trauen.«

»Declan!« Odran stand zwischen zwei seltsam wirkenden Tannen. »Du kennst Rosalia nicht.«

»Du solltest niemanden angreifen!«

»Es ging nicht anders.« Odran sah Rigga an. »Ich habe deinen Vater noch gegossen, bevor ich herkam.« Er lachte leise. 

Garo zog sein Schwert. »Ich schneide dich in kleine Scheibchen!«

Rigga hielt ihn fest. Sie wollte nicht, dass Garo auch zu einem Rosenbäumchen wurde.

»Lass es!«

»Kommt ihr?«

»Ich komme nicht mit«, sagte Declan. »Aber ich warte hier und hoffe, dass alle unbeschadet zurückkommen.«

»Wie du willst.« Odran winkte Rigga und Garo mit sich. Er zog drei Metallplatten aus einem Gebüsch. »Haltet sie über eure Köpfe.«

»Was soll das?« Doch Rigga bekam keine Antwort und marschierte hinter Odran her, während sie sich diese blöde Metallplatte über den Kopf hielt. 

Ein paar Schritte später verstand sie es. Die Tannen ringsum waren Stacheltannen. Sie lassen ihre spitzen Stacheln auf unliebsame Wanderer herabregnen. Sie hatte darüber in dem Buch Fiese Flora und Fauna von Penelope Kringelkopf gelesen. Die von oben fallenden Geschosse sollen schon schwere Rüstungen durchschlagen haben. Jetzt prasselten die Stacheln auf ihre Metallplatte.

»Kein Wunder, dass sich niemand hierher traut«, sagte Garo, der direkt hinter ihr war.

»Du musst gut aufpassen, dass die Platte immer genau über dir ist. 

Odran lachte. »Das hier ist der leichteste Weg. Wenn jemand einen anderen Weg sucht, werden ihn auch die Metallplatten nicht schützen.«

Sie liefen stumm hinter dem bärtigen Kerl her, bis sie den Wald hinter sich gelassen hatten und nun auf ein Stück grünes Land blickten, das auf den Seiten von einer Steilküste umgeben war. 

Ein einfaches Haus stand dort, das umgeben war von Rosen. Überhaupt standen sehr viele Rosenbäumchen herum und Rigga hatte so das Gefühl, dass sie einst anders ausgesehen hatten. 

Die Metallplatten deponierte Odran neben dem Weg und winkte sie dann mit sich. 

Die rote Tür öffnete sich und eine junge Frau kam heraus. Sie trug ein weißes Kleid, das jedoch von einer Rosenranke umgeben war. Ihr Haar schimmerte goldrot in der Sonne. Sie war wirklich hübsch, musste Rigga zugeben. 

»Rigga Kalkwinter«, sagte sie mit einer rauchigen Stimme. »Schön, dass du vorbeigekommen bist.«

»Ich hatte kaum eine Wahl!« Rigga stemmte die Fäuste in die Seite. »Dieser bärtige Schwachkopf hat meinen Vater in ein dämliches Rosenbäumchen verwandelt.« Odran war bei ihren Worten zusammengezuckt. »Das stellt - nur so nebenbei - einen Angriff auf den König dar. Ich hoffe, dass euch das klar ist.«

»Der König«, Rosalia lächelte. »Arthur ist sicher klug genug, sich nicht mit mir anzulegen.« Dann reichte sie Rigga die Hand. Rigga ignorierte sie. 

Rosalia seufzte und warf Odran einen finsteren Blick zu. »Schade, dass wir uns so begegnen. Ich hatte Odran nur gebeten, dich einzuladen. Das mit deinem Vater tut mir leid. Aber Odran wird den Zauber rückgängig machen, bevor du gehst.«

»Dann kann er gleich damit anfangen. Denn ich habe nicht vor, hier zu bleiben.«

»Ich glaube, du solltest dich erst mit mir unterhalten.« Rosalia machte eine Handbewegung und ein kleiner Tisch erschien mit zwei Stühlen, zwei weißen Tassen - die wie Rosen geformt waren, und zwei Tellern mit Erdbeerkuchen darauf. Sie sah Garo an. »Du warst nicht eingeladen.«

»Garo ist mein Freund!« Rigga spinkste zu dem Tisch. Wollte Rosalia sie etwas vergiften? Doch wozu sollte das gut sein?

»Dein Freund kann sich mit Odran ein Stück Kuchen aus der Küche holen.«

»Ich bleibe bei Rigga!« Garo stand direkt hinter ihr und sicher war er bereit, mit seinem Schwert herumzufuchteln. 

»Setzen wir uns«, sagte Rosalia und ignorierte Garo. »Es gibt so einiges, dass du wissen solltest.«

Rigga wollte etwas erwidern, aber überlegte es sich anders. Sie setzte sich und sah zu, wie Rosalia ihr Tee einschenkte. Dieser duftete - was Überraschung - nach Rosen. 

Jetzt lächelte die Rosenhexe sie an. »Du hast sicher einiges von mir gehört, oder?«

»Anhängerin der Dunklen Mächte, gefürchtet und nicht ganz richtig im Kopf.« Rigga nippte an dem Tee. Er schmeckte sehr gut. 

»Einiges stimmt. Ich war einst auf der Seite von Mac'haab, da er der Magie einen stärkeren Platz in der Welt einräumen wollte. Damals war ich so dumm, darauf hereinzufallen. Aber ich habe auch geholfen, ihn zu Fall zu bringen.«

»Klar. In Arthurs Kerker sitzt Jeremias Fingerschnipp, der eine ähnliche Vorgeschichte hat. Obwohl der König ihm vertraut hat, blieb er Anhänger der Dunklen Mächte.«

»Fingerschnipp ist ja auch ein Trottel.« Rosalia lachte. »Aber ich möchte nur, dass du weißt, dass diese Einladung freundlich gemeint war. Meine Rosen und ich haben eine eigene Magie.«

Rigga nahm die Gabel und stach ein Stück Kuchen ab, spießte es auf und schob es sich in den Mund. Auch Kuchen konnte die Rosenhexe machen. 

»Das Königreich Arthur wird bedroht.«

»Ach?«

»Roamy Rabentot hat sich zum Ziel gesetzt, den König zu stürzen. Deine Entführung sollte den König schwächen.«

»Sie hat mich zu einer anderen Hexe gebracht«, sagte Rigga schmatzend. 

»Die dunkle Mia? Sie bedroht das ganze Land, doch niemand nimmt es wahr. Die Suche nach einem neuen starken Anführer, den sie beliebig lenken kann, dauert noch an. Doch sie wird jemanden finden und einen weiteren Krieg herbeiführen. Vielleicht schafft sie es auch, Mac'haab zurückzuholen.«

»Was sollen wir dagegen tun?«

»Ihr solltet sie jetzt bekämpfen, bevor sie zu stark wird.«

»Bekämpfen? Wir wissen nicht mal, wo sie ist.«

Rosalia schob sich auch ein Stück Kuchen in den Mund. »Sie ist in Fingerschnipps Labor und dort ist dieser magische Stein. Ihr solltet ihn holen, bevor sie es tut.«

»Wenn sie in seinem Labor ist, hat sie ihn schon. Er war nicht zu übersehen.«
Rosalia schüttelte den Kopf. »In der Dimension zu wandern ist sehr schwierig. Ich denke, sie kommt nur langsam vorwärts.«

Rigga seufzte. »Ich habe keine Ahnung, wie man in eine andere Dimension reist. Meine Magie ist auf die Zukunft ausgerichtet.«

Rosalia lachte laut. »Rigga, Magie ist das, was man daraus macht. Das wirst du noch lernen. Natürlich spezialisiert man sich auf ein Gebiet, da niemand alles beherrschen kann. Bei mir sind es die Rosen, deren Magie mit meiner verschmilzt. Ich kann hören und sehen, wo immer eine Rose ist.« 

»Du kannst …«

»Ja.« Sie nickte. »Doch keine Angst, ich lausche nicht überall gleichzeitig. Meist sind es die Rosen, die mich auf bestimmte Dinge aufmerksam machen.«

Rigga legte die Gabel auf den Teller. »Ich weiß nicht, wie mir das helfen soll?«
»Ich werde dir helfen«, sagte Rosalia knapp. »Aber du musst bereit sein. Du trägst mehr Magie in dir als sonst jemand.«

»Aber wie …«

Rosalia streckte ihre Hand aus. »Ich werde dir helfen.«

Bevor Rigga ihre Hand in die Rosalias legen konnte, drückte Garo ihren Arm herunter.

»Was tust du? Declan hat uns gewarnt, ihr zu vertrauen. Sie hat deinen Vater noch immer nicht zurückverwandelt. Vielleicht will sie den Stein für sich?«

»Kluger Junge«, sagte Rosalia und zog ihre Hand zurück. »In der Tat ist das der Preis.«

»Ich tausche eine fiese Hexe gegen die andere?«

»Der Stein darf nicht in falsche Hände geraten. Fingerschnipp oder die dunkle Mia könnten damit ein Portal erschaffen. Ich würde ihn behüten.«

Rigga schüttelte den Kopf. »Ich kenne dich nicht und darf dir nicht trauen.«

Rosalia presste die Lippen aufeinander. »Was weißt du über deine Mutter? Lysandra war eine Freundin von mir und ihr Tod hat mich zur Besinnung gebracht. Zu spät. Ich werde es mir nie verzeihen.«

Rigga verengte die Augen. Ihr Vater hatte nur selten über ihre Mutter gesprochen und wenn, blieb er vage. Sie sei im Krieg getötet worden. Meist lobte er ihre Schönheit und ihre Klugheit und alles andere. Lysandra Kalkwinter war für Rigga immer eine nebelhafte Figur gewesen. Sie hatte irgendwann aufgehört nachzufragen. Vielleicht hatte sie Angst vor den Antworten. 

»Du kanntest meine Mutter?«

Rosalia nickte und tatsächlich glaubte Rigga eine Träne zu entdecken. »Der verdammte Krieg hat alle auseinandergerissen. Ich habe mich danach hierher zurückgezogen. Aber du solltest wissen, dass du ihr sehr ähnlich bist.«

»Wie war sie? Ich weiß schrecklich wenig über sie.«

Rosalias Lächeln sah man den Schmerz an, den die Erinnerung auslöste. »Ich wünschte, wir wären uns eher begegnet. Deine Mutter war eine der vielen Antide-Prinzessinnen. Doch sie war störrisch, hatte ihren eigenen Kopf. Ihre Idole waren Gwendolyn - die einen Wasserdrachen erzeugen konnte und Alia, deren Heilkraft unvergleichlich war. Als der Krieg begann …« Sie deutete auf Riggas Teller. »Möchtest du noch ein Stück?«

Rigga schüttelte den Kopf. Sie wollte jetzt hören, was Rosalia über ihre Mutter zu sagen hatte. 

»Lysi hatte sich sehr früh dem Kampf gegen Mac'haab verschrieben. Darüber haben wir uns entzweit. Sie hat Lohok Kalkwinter geheiratet und eine wundervolle Tochter bekommen. Sie war so glücklich darüber, dass sie sogar mir verzieh und mich einlud.«

»Lysi?«

»Ja, sie hat es gehasst, wenn man ihren vollen Namen aussprach.«

Rigga schluckte. Wollte sie noch mehr wissen? »Wie ist sie gestorben?«

Rosalia sah sie an und ihr Mund blieb einen Moment offen stehen, als wüsste sie nicht, was sie sagen sollte. 

»Valrak hat sie getötet. Valraks Gifthauch ließ sich selbst von all ihrer Magie eindämmen.« Rosalia schluckte.

Rigga unterdrückte die aufsteigenden Tränen und reichte Rosalia die Hand. »Ich bin bereit.«

Rosalia lächelte und legte ihre Hand auf die von Rigga. 


Alles um Rigga herum verschwand, sie schwebten in einem dunklen Lila, das sie umgab. Rosalia war bei ihr. »Du musst schwimmen.« Sie zeigte auf einen dunklen, kantigen Schemen. 

Rigga machte Schwimmbewegungen und tatsächlich kam sie voran. Der Schemen stellte sich als Laboratorium heraus. Es schwebte in dieser seltsamen Dimension. Rigga suchte den Eingang und fand ihn offen. 

Was sollte sie tun, wenn die dunkle Mia hier war und sie angriff? 

Rosalia war direkt hinter ihr. Sie schwammen zusammen durch die Gänge und bald entdeckte Rigga den seltsamen Stuhl. Der Kristall, der darüber befestigt worden war leuchtete hell. 

Jetzt sah sie auch die dunkle Mia, die sich langsam auf den Stuhl zubewegte. Rigga wusste, was sie zu tun hatte. Doch als sie an der dunklen Mia vorbeischwamm, griff diese nach ihr und hielt sie fest. Der knorrige Stab, auf den sie sich immer stützte, sauste auf Riggas Kopf zu. 

Doch Rosalia packte den Stock und riss die dunkle Mia von Rigga fort. Es gab ein ploppendes Geräusch und die beiden Hexen waren verschwunden. Rigga schwamm auf den Kristall zu und griff danach. 

Als sie den Kristall berührte, durchströmte sie die gewohnte Magie der Zukunft. Alles verlor sich in einem Meer aus Rosenblüten und Rosenbäumchen. Doch sie konnte etwas erkennen. 


  • Es kommt eine rote Heldin, die Rosen liebt. 
  • Ein Event, das man schon von den Würfeln her kennt
  • Ein Speedrun-Event
  • Angebote, die keine sind
 
 evtl. 
  • Waffenerweckungen
  • Artefakte, die keiner will
 

Als Rigga die Augen öffnete, lag sie in einem Raum, der ganz sicher im Inneren eines Baumes lag. Sie schüttelte den Kopf, als Declan mit einem Tablett hereinkam. Er strahlte, als er sah, dass sie wach war. 

»Sie ist wach!«, rief er laut und stellte das Tablett weg. Er zog etwas aus der Tasche und legte es auf ihre Bettdecke. Es war der magische Stein, den Rigga diesem Odran an die Birne geschleudert hatte. »Danke«, sagte sie leise.  

Ihr Vater stürmte in den Raum, gefolgt von Garo. Beiden war die Erleichterung anzusehen. Ihr Vater drückte sie ganz fest an sich. 

Garo blieb etwas weg, bis sie ihn zu sich winkte und auch ihn fest umarmte. Dann setzte sie sich zurück. »Was ist passiert?«

»Das wollte ich dich fragen«, sagte ihr Vater. Garo meinte, du wärst plötzlich wieder aufgetaucht. Rosalia hat dich getragen und ihren Helfer damit beauftragt, uns zurückzubringen. Sie hat nur gesagt, dass wir uns auf sie verlassen könnten.«

»Kanntest du sie?«

Lohok Kalkwinter schüttelte den Kopf. »Aber deine Mutter. Die beiden waren Freundinnen gewesen, bis der Krieg ausbrach.«

Rigga nickte langsam. Rosalia hatte also nicht gelogen. 

Vielleicht hatten sie zusammen wirklich Antia gerettet oder zumindest eine Bedrohung entschärft. 

Sie lächelte Garo an, der auf ihrem Bett saß und nahm seine Hand. Einen Moment wirkte er verblüfft, dann lächelte er.