Stinkekönig

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Es waren alles einfache Leute, die sich zu dieser späten Stunde in der Scheune versammelt hatten. Doch sie alle waren Material, das Roamy Rabentot einsetzen konnte. Deshalb betrachtete sie die Gruppe mit einem gewissen Stolz. 

»Du solltest etwas sagen«, flüsterte ihr Foltermeister Schartig zu. Er hatte die Leute zusammengetrommelt und glaubte Roamy jedes Wort. Obwohl es durchaus möglich war, dass er romantische Gefühle für sie hegte. Doch darüber wollte Roamy nicht nachdenken. 

Gregulo Schartig war kein Mann, in den man sich auf den ersten Blick verlieben konnte. Auch nicht auf den zweiten. Man musste wohl blind sein. Sein narbiges Gesicht voller Bartstoppeln, seine kahle Birne und sein umfangreicher Bauch setzten jede Anziehungskraft außer Gefecht. Dennoch, so wusste Roamy, war er begeistert von schwülstigen Liebesromanen und schmolz dahin, wenn man ein Gespräch über »Von dunklen Winden zerzaust«, einem Roman von Mitchi Ragamete anfing.

Roamy verdrängte diese Gedanken. Heute würde sie zum ersten Schlag ausholen, der diesen komischen König von seinem Thron holen sollte. Doch wie fing man an? Wie konnte sie die Leute ansprechen, die sie anstarrten, als sei sie ein Pferd mit drei Köpfen? 

»Hallo zusammen«, fing sie an und merkte sofort, dass es vielleicht nicht der beste Einstieg war. »Schön, dass ihr hier seid und ich hoffe sehr, dass ihr euch uns anschließt.«

»Anschließen?« Eine Frau mit groben Gesichtszügen und etwas zu vielen Falten sah sie an. »Wir wollen Gerechtigkeit.«

»Deswegen sind wir ja hier«, sagte Roamy. »Gerechtigkeit«, rief sie laut.

»Pssst«, machte Schartig neben ihr. »Sonst hört man uns.«

Roamy warf ihm einen genervten Blick zu. Wie sollte man die Leute auf eine Revolte einstimmen, wenn man dabei flüstern musste? Sie räusperte sich und sprach leiser weiter. 

»Ihr habt ja so recht. Gerechtigkeit muss unser Ziel sein.« Sie sah in die Gesichter der Menschen. »Wir haben lange genug gelitten unter der Tyrannei von König Artur!«

»Naja«, sagte ein Mann mit dunklem Vollbart. »So richtig gelitten habe ich nicht. Eigentlich geht es uns doch ganz gut. Natürlich könnte es besser sein …«

»Es muss besser sein!« Roamy sah dem Mann in die Augen. »Jeder noch so einfache
Mann hat ein Recht darauf, dass es ihm besser geht!«

Der Vollbart nickte. »Stimmt.«

»Deshalb«, sagte Roamy jetzt wieder lauter, »sind wir heute nicht nur ein paar armselige Tölpel, die sich hier versammelt haben, wir sind der Beginn einer Revolution. Einer Revolution, die alles zum Besseren wenden wird.«

»Tölpel?« Die Frau schüttelte den Kopf. »Sind wir etwa Tölpel?«

Das brachte Roamy etwas aus dem Konzept. »Ja«, sagte sie schließlich. »In gewisser Weise sind wir alles Tölpel. Doch das wollen wir jetzt ändern.« Sie sah an der Frau vorbei. »Wollt ihr wahre Königsleugner sein?«

Einige stimmten sofort ein. Doch nicht alle. Wie schwer war es so ein paar Tölpel zu überzeugen?

»Wie sollen wir - gesetzt den Fall, wir würden mitmachen - denn überhaupt eine Chance haben.« Ein junger Mann mit einem kleinen dünnen Schnurrbart sah sie an.

»Der König verfügt über Soldaten.«

»Wir haben etwas Besseres!«, antwortete Roamy selbstbewusst. 

»Was denn?«

»Wir haben einen Plan!«


Ein paar Brotkrümel schwammen auf der Oberfläche des Weins und Lohok Kalkwinter betrachtete sie einen Moment, als wären es schwimmende Entchen. Dann nahm er schnell einen großen Schluck und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.

»Ich denke, das war eine erfolgreiche Beratung!«, rief er und hielt seinen Weinbecher hoch. Er lallte ein wenig, doch das war nach solchen Tagen in der Ratskammer nicht unüblich. 

»Darauf trinke ich!«, rief Schatzmeister Ginrig und ließ seinen Worten sofort Taten folgen. »Aber wieso ist unser guter Odin denn noch nüchtern?«

Alle blickten Odin Tafelspitz an, der kerzengerade auf seinem Stuhl saß. Seit er die Verantwortung für die Sicherheit der Burg und der Stadt hatte, gehörte er auch zum Stadtrat. 

Lohok fand Odin immer etwas zu steif. Dennoch verfügte dieser über genügend Organisationsvermögen, dass es wirklich besser lief. Auch für den Foltermeister Schartig gäbe es mehr zu tun. Dennoch - alleine dieses gewaltige Kinn irritierte ihn immer. 

»Wir haben das Thema der Königsleugner bisher nicht angeschnitten«, sagte er und verdarb allen damit die gute Laune. 

König Artur hing mehr auf seinem Stuhl und seinen Bart färbte der Wein an einigen Stellen rot. Eigentlich nicht besonders königlich, dachte Lohok. 

»Das ist …« Der Blick des Königs suchte umher und blieb bei Lohok hängen. »Lohok. Sein Thema.«

Lohok nickte und wandte sich Odin zu. Aber bevor er eine Antwort geben konnte, hörten sie die Stimmen von mehreren Menschen, die Arturs Namen skandierten. 

Alles wandte sich der offenen Tür zum Balkon zu. 

»Was rufen die?«, fragte Ginrig. Sein glasiger Blick schien in alle Richtungen zu gehen.

Ein sicheres Zeichen, dass er bald in seine Kammer getragen werden musste. 

»Sie rufen meinen Namen!« König Artur rappelte sich auf. »Meiner Treu, das ist ganz was Neues.« Er erhob sich schwankend. »Mein Volk ruft nach mir.«

»Das könnte eine Falle sein«, warnte Odin. »Ich sehe nach.«

»Nö!«, rief Artur laut. »Die wollen mich sehen. Ihren König.«

»Aber …«

Artur hielt sich an der Lehne seines Stuhles fest. Dann winkte er Lohok und den anderen Ratsmitgliedern zu. »Kommt mit. Seht, wie beliebt ich bin.«

Lohok seufzte und erhob sich. Alles schien sich zu bewegen, als sei er auf einem schwankenden Schiff. Zum Glück hielt Odin Tafelspitz ihn fest, bevor er fallen konnte. 

Der König trat auf den Balkon und hielt sich an der Balkonbrüstung fest. Zusammen mit Odin trat Lohok hinter ihn und sah dort unten ein Grüppchen Menschen stehen, die weiter »Artur, Artur!« riefen. 

Es war ein armseliges Grüppchen. Doch zu dieser Zeit war es schon ungewöhnlich genug, überhaupt jemanden anzutreffen. 

»Mein Volk!«, rief Artur lallend und warf seine Arme nach oben. Dabei verlor er das Gleichgewicht und wäre nach vorne gestürzt, wenn Odin ihn nicht mit einer Hand festgehalten hätte. 

Unten ging etwas vor. Sie hatten aufgehört zu rufen. Erwarteten sie etwa eine Rede? 
Lohok sah, wie der König etwas debil grinste, als das erste Ei geflogen kam und an der königlichen Birne zerplatze. Der Gestank war schrecklich und es kamen weitere Eier geflogen. Lohok erwischten zwei, bevor er fiel und auf allen Vieren in die Ratskammer krabbelte. 

Artur hatte länger gebraucht, dass Odin ihn mit Gewalt vom Balkon holen musste.

Dabei stammelte der König immer wieder: »Mein Volk!«

Odin rannte zur Tür, um Alarm zu geben. 

Ginrig schnarchte laut. 


Der König war so zornig, wie Rigga Kalkwinter ihn noch nie gesehen hatte. Sie war zusammen mit dem Orakel von Antia - Volvo Tamowitz - in den kleinen Speisesaal gekommen. 

»Wie konnte das passieren?«, rief der König, während er unruhig hin und her ging. Die Frage schien an keinen Besonderen gerichtet zu sein. Außer den beiden Orakeln waren noch Riggas Vater, Lohok Kalkwinter, der Schatzmeister Ginrig, der Hauptmann der Königsgarde Odin Tafelspitz und auch der Foltermeister Schartig anwesend. 

Rigga fühlte sich ein wenig unwohl. Sie war hier bei Weitem die Jüngste und sie verstand nicht, was sie hier sollte. Natürlich hatte sie davon gehört, dass ein paar Idioten den König mit Eiern beschmissen hatten. 

»Die Königsleugner«, sagte Odin Tafelspitz laut. »Wir haben einen von ihnen geschnappt und er steckt schon in der Folterkammer. Schartig wird sich seiner liebevoll annehmen. Nicht wahr?« Er sah Schartig fragend an. 

Der Foltermeister stand etwas abseits und mit seinem narbigen Gesicht war er auch kein besonders netter Anblick. »Natürlich«, sagte er mit seiner dunklen Stimme. 

»Ich will alles wissen!« Der König trat auf Schartig zu. »Jede Einzelheit. Irgendjemand muss diesen perfiden Plan ausgeheckt haben. Den müssen wir schnappen!«

»Natürlich«, wiederholte Schartig. 

»Ich habe meine Spitzel darauf angesetzt«, sagte Lohok Kalkwinter. »Sobald ich mehr weiß, informiere ich euch. Doch leider kann ich nicht in die Zukunft sehen.« Er warf Rigga einen seltsamen Blick zu.

Der König nickte und kam auf Rigga und das Orakel zu. »Das ist wahr, alter Freund«, sagte er und blieb dann stehen. »Dafür habe ich zwei wunderbare Orakel hier.«

Sein Gesicht veränderte sich ein wenig. »Doch was hilft es mir, wenn sie ein solch hinterhältiges Attentat auf mich nicht vorhersehen?«

Rigga sah, wie Volvo sich etwas versteifte.  »Die Zukunft ist doch kein Wunschkonzert.« Sie schnupperte und trat schnell einen Schritt zurück. Jetzt roch Rigga es auch. Der König stank fürchterlich. 

»Wofür seid ihr dann noch nutze?«

»Wir geben unser Bestes, mein König«, sagte Volvo. »Doch nicht alles in der Zukunft unterliegt unseren Deutungen. Jemanden, den wir bei einem Versuch sehen, dich mit faulen Eiern zu bewerfen, tut es vielleicht nie. Dann würde man Unschuldige bestrafen.«

»Unsinn!«, widersprach Artur. »In Nebelheim wurde noch nie eine Königin mit Eiern beworfen. Ist Annwns Orakel besser als ihr zwei?«

»Schartig wurde auch noch nie mit Eiern beworfen…«

»Doch. Dauernd.«, sagte Schartig traurig.

Volvo seufzte. »Warum sind wir eigentlich hier?«

Der König nickte und das Grinsen auf seinem Gesicht gefiel Rigga gar nicht. 



Der große Schlossplatz war regelrecht verstopft mit Menschen, die neugierig auf das große Podest schauten, das Artur für seine beiden Orakel hat errichten lassen. 

»Es ist eine Schwachsinnsidee«, sagt Volvo zum wiederholten Male. 

»Ich kann dich hören«, sagte der König warnend, der hinter ihnen auf einem frisch gezimmerten Thron saß. 

»Wenigstens spielt das Wetter mit«, sagte Garo, Riggas Freund. Er war bei den Soldaten, die sowohl die Orakel als auch den König bewachten. Eine verantwortungsvolle Aufgabe für einen Rekruten. Doch für Rigga war es ein Segen, ihn in ihrer Nähe zu wissen. 

Sie sah in der Menge, recht weit vorne, Bizi und Abraxo stehen. Die beiden waren mittlerweile fast unzertrennlich. Sie atmete tief ein. »Es wird nicht funktionieren«, sagte sie leise, damit nur Garo es hören konnte. 

Ginrig kletterte die Stufen hoch und stellte sich dann zwischen die Orakel. »Es ist an der Zeit«, rief er, »dass unsere Orakel die bösen Buben nennen, die unseren König…« Er verstummte kurz. »Also, die unseren König angegriffen haben.«

Neben Volvo stand auf einem Podest ihre Wahrsagekugel, in der Nebel unruhig waberte, als hätte er gewusst, was hier los war. 

»Es ist an der Zeit, die Fieslinge hervorzuorakeln!«, rief Ginrig und trat zur Seite. 

Rigga wusste nicht, was sie nun machen sollte, als Volvo ihre Hand nahm. Die andere legte sie auf die Glaskugel und zischte Rigga zu: »Es kommt auf den Effekt an. Also gib dir Mühe!«

Als Rigga auf einen festen Druck von Volvos Hand, den Kopf nach hinten warf und die Arme hochriss, begann auf einmal ein Tumult. Sie nahm es wahr, weil Garo näher an sie herantrat. »Fingerschnipp wurde befreit«, sagte er leise und Riggas einer Arm, der nicht von Volvo gehalten wurde, fiel nach unten und ihr Kopf sank wieder herab, wandte sich Garo zu. »Unmöglich!«, sagte sie laut. »Fingerschipp ist frei?«

Jeremias Fingerschnipp hatte versucht, Riggas Magie zu nutzen, um ein Portal zu öffnen, durch das die dunklen Mächte direkt in die Burg gelangt wären. Rigga hatte ihn gerade noch aufhalten können.

Jetzt sah sie über die unruhig gewordene Menge. Die Schaulustigen waren um ihr Orakel-Spektakel gebracht worden. Und sie glaubte auch zu sehen, dass einige sich durch die Massen bewegten, wie hungrige Haie.

»Bitte nicht, sagte sie noch«, dann flogen schon Eier und Gemüse auf sie zu. Rigga wich einem teuflisch genau geworfenen Ei mit einer schnellen Bewegung aus, dann hörte sie den König hinter ihr fluchen. Das Ei hatte die königliche Rübe getroffen und Eidotter lief ihm über das Gesicht. Garo zog sie nach unten, während Volvo anscheinend spielerisch allen Geschossen auswich. Sie wirkte, als würde sie tanzen.

Bald war sie das alleinige Ziel. 

Die Wachen nutzten die Gelegenheit, den König in Sicherheit zu bringen. Er würde sicher noch ein Weilchen länger stinkig sein. 

Garo zerrte an Riggas Arm und sie krabbelte über das Podest, als ihr der magische Stein aus der Tasche fiel. Sie griff instinktiv danach und erneut zerriss die Wirklichkeit, um ihr einen Blick in die Zukunft zu bescheren. 

Sie sah eine Scheune, in der Menschen standen - einfache Menschen - und sie sah auch Roamy Rabentot, die zu den Leuten sprach. Außerdem sah sie Schartig, der Eier an die Leute verteilte. 

Doch der Sog der Zukunft riss sie fort und dann erblickte sie den nächsten Helden von Antia.


  • Es kommt ein grün schimmernder Held.
  • Ein weiteres Mal kommt das endlose Pein-Event (Endless Trial)
  • Der Turm der Illusionen nimmt einem die Illusion
  • Eine neue exklusive furchterregende 5-Sterne-Waffe
  • Neue Artefakte für die Wale
  • Angebote, die keine sind.
    evtl. 
  • Das Schach-Event - was nicht so viel mit Schach zu tun hat
  • Waffenerweckungen


»Ganz toll«, sagte der König zu Volvo Tamowitz. »Du bist allem ausgewichen.«

Sie standen erneut zusammen. Diesmal in einer einfachen Kammer. Dadurch dass Arturs Geruch überall haften blieb, waren ein paar Räume bis auf Weiteres gesperrt. 

»Danke.« Volvo nickte dankbar.


»Das war nicht richtig!«, fauchte König Artur. »Dadurch habe ich viel mehr abbekommen. Du hättest alle Treffer von mir fernhalten sollen!«


»Dafür hast du deine Garde.« Sie sah zu Odin Tafelspitz, der hingegen verlegen auf den Boden blickte. 


»Immerhin hat Rigga den Helden orakelt«, sagte Lohok. »Und das bei dem ganzen Tumult.«


»Fingerschnipp ist weg«, sagte der König. 


»Sie haben befohlen, dass die gesamte Garde auf dem Schloßplatz…«, sagte Odin Tafelspitz, verstummte aber unter dem finsteren Blick des Königs. 


Garo tippte Rigga leicht auf die Schulter. »Du warst große Klasse!«


Rigga schenkte ihm ein Lächeln. 


Doch was ihre andere Vision bedeuten konnte, wusste sie nicht.